In unserem ersten unabhängigen Levelartikel, reden wir über und schauen hinter die Kulissen von „Patterns of Impulse“ (IV/44). Viel Spaß mit einem Kommentar von Alain und einem vom Autor!

Mein Level des Augenblicks

Kürzlich stolperte ich über „Patterns of Impulse“, der nicht zu den Levels gehört, die ich üblicherweise mag (zu hektisch für mich), aber der Versuch, ihn zu lösen, gab mir einen sehr schönen Moment der Überraschung, den ich hier erklären möchte:
Nachdem ich mich über die Show der sich frenetisch bewegenden Impulssteine ausgelacht habe (man vergleiche mir „Stay There!“ oder „Bendixxon“, letzterer ohne Impulssteine), entdeckte ich plötzlich die mysteriöse Wahrheit hinter diesem Level: Er illustriert geradezu perfekt L. Boltzmanns kinetische Theorie der Thermodynamik!
Wiedasdennbitte? Naja, stellen Sie sich einfach die Impulssteine als sich bewegende Partikel vor (die freie Weglänge ist zugegebenermaßen nicht groß: weniger als eine Längeneinheit, also die Zellenlänge in einer Landschaft), aus denen ein amorpher Festkörper zu Beginn des Levels zusammengesetzt ist: Nichts bewegt sich, so dass die anfängliche Temperatur absolut Null beträgt. Dann kommt unsere schwarze Murmel, die einen der Impulssteine nur leicht streicheln muss, damit plötzlich alles explodiert! Dies kann interpretiert werden als ein plötzliches Schmelzen des Festkörpers (das Fluid ist nicht kompressibel genug, um als Gas zu gelten, daher eher als Flüssigkeit), and sollte unsere Murmel je versuchen, in dieser Flüssigkeit zu schwimmen, wird eine Brownsche Bewegung sie zerquetschen, sie bleibt also besser in Deckung. Schließlich, nach einer gewissen Zeit (und etwas Hilfe durch die Murmel hier und da), kühlt sich das Fluid ab und friert wieder ein, wobei es eine kristalline Struktur einnimmt (dazu später) und (hoffentlich) einen Weg zu den Oxydsteinen frei gibt …
Normalerweise bedingt das Spielen eines Enigmalevels, ständig aktiv zu sein, und oft ziemlich schnell, was viel Konzentration benötigt und den Spieler nicht wirklich sehen lässt, was alles geschieht. Aber für diesen Level, kann man während des Abkühlvorgangs der Flüssigkeit einige interessante Phänomene beobachten:
Wenn sich zwei Impulssteine treffen, sagen wir, einer bewegt sich nach rechts und der andere nach links, dann stoßen sie aneinander wie reale Partikel, aber der Stoß ist vollkommen elastisch: Nach dem Stoß bewegt sich jedes der sich wieder voneinander entfernenden Partikel in seine Ausgangsrichtung, so dass der Gesamtimpuls erhalten bleibt. Wenn sich aber nur eines der Partikel bewegt, gibt es nicht nur seinen Impuls weiter, sondern, anstatt anzuhalten, bewegt sich selbst wieder zurück:
Der Gesamtimpuls wird verdoppelt! Wir könnten dies einen mehr-als-elastischen Stoß nennen. Der „schlimmste“ Fall tritt ein, wenn ein Impulsstein den zentralen Stein einer Gruppe aus drei Steinen trifft, aus dem sich nach dem Stoß alle drei Steine bewegen, zuzüglich dem anfänglich bewegten Stein, der reflektiert wird, so dass der Gesamtimpuls vervierfacht wird!
Kubischer Kristall
Wenn sich die Steine garnicht mehr bewegen, neigen sie dazu, sich von selbst in regelmäßigen Mustern anzuordnen, die wir als Kristalle bezeichnen können, und die typischerweise so aussehen wie hier.
Ich schlage vor, diese Kristallstruktur als kubisches System zu bezeichnen, da es wie ein kubischer Kristall in der Draufsicht aussieht. In diesem Kristall ist der Abstand zwischen zwei Nachbarn das Doppelte einer Längeneinheit. Aber es gibt eine kompaktere, seltenere Kristallstruktur, die stabil ist (Temperatur Null), die ich mit einer Diamantstruktur vergleichen möchte.
Diamantstruktur
(ein Teilchen fehlt auf der unteren Linie: Es ist unmöglich, ein weiteres dort hin zu bewegen, ohne einen der Steine aus der mittleren Reihe zu berühren, was wiederum … arrgh!)
In dieser Kristallstruktur hat jedes Teilchen vier Nachbarn, wie in der kubischen Struktur,  aber der Abstand zwischen den Nachbarn ist die Quadratwurzel aus 2, mal der Einheitslänge: Etwa 70% des Vorangegangenen. Tatsächlich gibt es eine noch kompaktere stabile Struktur, die den Raum komplett mit Impulssteinen ausfüllt, aber sie zu bauen würde viel mehr Druck bedürfen, als unsere Murmel imstade ist, auszuüben. In dieser Struktur, die ich gerne „Neutronenstern-Struktur“ nennen möchte, ist der Abstand zu den Nachbarn einfach eine Einheitslänge, dann 70% der Diamant- und die Hälfte der kubischen Struktur.
Es gibt noch mehr über diese Strukturen zu berichten: Stellen Sie sich eine Reihe von Impulssteinen in einem ansonsten leeren Bereich vor, von denen jede eine Zelle mit ungerader Abszisse belegt: Zellen 1, 3, 5 usw. Dann kommt unsere Murmel an Position 0 und drückt den Impulsstein bei 1 auf Position 2: Die Impulssteine regen den auf 3 an, der wandert zu 4 und sendet ihn zurück auf Position 1. Dann  sendet der Stein auf 4 den auf 5 nach 6, der ihn wieder auf seine Gleichgewichtsposition bei 3 bringt, usw.: Was wir sehen, ist die Fortpflanzung einer Druckwelle in diesem Muster, was ich ein Phonon nennen würde. Ich habe auch eine Form von Kavitation beobachtet (Blasen der Leere, die sich in einem Fluid bewegen), und Temperaturfluktuationen. Man kann sogar sehen, wie der Eiskristall in einem noch bewegten Fluid wächst, und manchmal stellenweise wieder schmilzt. Auch wenn zwei Teile der Flüssigkeit in inkompatiblen Kristallstrukturen erstarren, erscheint eine Bruchstelle im Kristall, die sich im Festkörper fortbewegen kann …
Dies alles, während man darauf wartet, dass sich die Situation beruhigt!
Wenn ich an die bewegten Schalter aus „How solid?“, „The Flagstone Reaper“ und „The Dark Outside“ denke, beginne ich zu realisieren, dass Andreas die gefährliche Gabe besitzt, seltsamen Kreaturen (halb robotisch und halb außerirdisch) Leben einzuhauchen und ihre unabhängige Evolution zu beobachten, nicht sehr verschieden einem Helden aus einem Mary Shelley Buch …
Brrr!
Alain
Die erste Version von „Patterns of Impulse“, die ich noch immer auf meinen Festplatten habe, datiert auf den 30. Mai 2005. In meiner internen Nummerierung, war er Nummer 21, und dementsprechend ein sehr später Level, aber eins nach dem anderen …
Als Kind spielte ich Oxyd 1 vollständig durch. Es war eine großartige Erfahrung, und ich denke, es formte auch meinen Charakter auf eine bestimmte Art und Weise, insofern als es mich lehrte, dass sich Geduld und harte Arbeit tatsächlich auszahlen. Aber nachdem ich Level 100 vollendete, und niemanden fand, der mit mir die Linkgames vollständig durchspielte, vergaß ich Oxyd schnell, da ich nichts von seinen Nachfolgern wusste.
Die Jahre gingen vorüber, ebenso wie die Spiele, die ich spielte. Ich wechselte von Windows zu hauptsächlich Linux, als ich anfing zu studieren. Und dann, an einem glücklichen Tag in 2004 oder 2005, fand ich Enigma 0.81 zufällig durch die Linuxdistribution SuSE. Sofort fesselte es meine Aufmerksamkeit, und ich begann zu spielen. Aber ich war auch neugierig, war dieses Spiel noch immer in Entwicklung? Viele Projekte werden über die Jahre aufgegeben. Aber nicht Enigma. Schnell fand ich Version 0.92 im Internet, und da ich sie nicht kompilieren konnte, spielte ich unter Windows. Aber ich wollte mehr - und analysierte die Leveldateien. Sie schienen einfach zu verstehen, und der BlackBallEditor half mir, ein paar erste einfache Experimente zu schreiben.
Das erste, meine Nummer 1, war wirklich nur ein Experiment. Nummer 2 war da schon interessanter: Sie verwendete inverse Reibung, wie die „Nightmare“-Serie, aber ohne Totenkopfsteine. Es war einer jener Levels, die sich selbst lösen. Dann hatte ich die Idee, Lissajous-Kurven in einem Level zu realisieren. Tatsächlich war meine erste Motivation ähnlich dem, was ich später als „Lissajous“ realisierte, aber mit einem Rotor statt einem beweglichen Totenkopfstein. Da ich das noch nicht programmieren konnte, kopierte ich einfach etwas aus Nat's „When Gravity Fails“ und erzeugte so meinen ersten echten Level, der später „Lissajous' Revenge“ genannt werden sollte (ja, die Revenge kam zuerst, ich wählte die Titel im Nachhinein). Was folgte, waren „Spaceleast“ (6) und „Spaceless“ (7), „Laser Castle“ (8), „Friend or Foe?“ (9), „Laser Path“ (11), „Robin's Wood“ (13), „Tropical Island“ (14: Ja, „Robin's Wood“ und „Tropical Island“ entstammten beide derselben Idee, irgendein Thema in Enigma zu realisieren), „Turn Around“ (15), „Lissajous“ (17, schließlich), „Moure-Switches“ (19, Ich wollte mal einen Code-Rätsellevel schreiben) und viele Ideen, die es nie zu ausgewachsenen Levels gebracht haben. An irgendeinem Punkt entschied ich mich dazu, 16 Levels zu schreiben und zu veröffentlichen - 16 als Quadratzahl meiner Lieblingszahl. Das wäre für mich tatsächlich das erste Mal, dass ich etwas, was was ich programmiert habe, veröffentliche. Zählen wir die Levels oben, kommen wir auf 11.
Dann kam „Patterns of Impulse“, als Nummer 21. Ich weiß nicht mehr recht, wie sich die Idee entwickelte. Es war sicherlich nicht geplant, und ich denke, ich habe nur ein wenig rumgespielt, ein paar bewegliche Impulssteine über den Bildschirm verteilt, zufällig, aber symmetrisch, nur um zu sehen, wie sie interagieren würden. Ich liebe (mathematisch) chaotisches Verhalten, das war bereits die treibende Kraft hinter „Laser Castle“ und würde später zu „Orbitting“ und „Chess, Bugs & Rock'n'Roll“ führen. Chaos hat die faszinierende Eigenart, Ordnung aus sich selbst heraus zu erzeugen, Ordnung einer viel ursprünglicheren Art, als wir normalerweise unter diesem Begriff verstehen. Muster entspringen dem Chaos - und exakt das war es, was mit den Impulssteinen geschah. Es war faszinierend.
Ich habe übrigens diese erste Version von „Patterns of Impulse“ herausgekramt und für Enigma 1.01 aufbereitet. Sie können sie hier herunterladen.
Da waren bereits Oxydsteine, ich hatte welche in die Ecken des Levels gepackt. Zunächst nur, um BlackBallEd ruhig zu stellen, der mich sonst den Level nicht hätte speichern lassen. Aber dann versuchte ich, die Oxydsteine durch das sich entwickelnde Chaos hindurch zu erreichen. Und versagte. Nachdem ich den sich bewegenden Impulssteinen zusah, wurde es eine interessante Herausforderung, auch die Oxydsteine zu öffnen. Obwohl ich feststellen musste, dass der Level noch nicht perfekt war. Ich brauchte mehr Kontrolle, nur ein wenig mehr. Ich wollte den Spieler dazu zwingen, das Chaos zu kontrollieren, es ruhig zu halten. Ein guter Geschicklichkeits-Spieler würde die Steine einfach öffnen, indem er sich durch das allgegenwärtige Chaos schleicht - das war nicht, was ich als die interessantere Herausforderung sah.
Also entfernte ich vier der Impulssteine (ausgewählt nach Designüberlegungen), und fügte die Türen hinzu, um die Oxydsteine wegzusperren, indem ich Trigger un Steine in den (unsichtbaren) Bildschirmen ober- und unterhalb einbaute. Ich hatte diese Technik bereits zuvor verwendet, in „Laser Castle“, und kombinierte sie hier mit Timersteinen, um sicherzustellen, dass die Türen einen Moment warten würden, bevor sie den Weg zu den Oxyds wieder öffnen. Es funktionierte großartig. Ich dachte über den Titel nach. Zu der Zeit hatte ich etwas über eine Star-Trek-Folge namens „Patterns of Force“ gelesen, zu deutsch „Schablonen der Gewalt“. Ich habe die Folge nie gesehen, und sie wird als eine der schlechtesten Star-Trek-Folgen überhaupt bezeichnet, aber der Titel setzte sich in meinem Kopf fest. Ich freundete mich schnell mit „Patterns of Impulse“ an, der den Level perfekt beschreibt, wie ich meine.
Ich fügte einen Easymode hinzu, und am 1. Juli 2005 schickte ich „Patterns of Impulse“ und 15 weitere Levels an die Entwickler-Mailingliste, mit dem guten Gefühl, Arbeit getan zu haben, und nun mit Enigma durch zu sein, und mich anderen Dingen zuwenden zu können. Wäre da nicht diese anhaltende Diskussion über Level-Bewertungen gewesen …
Andreas Lochmann

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